Wunderwerk im Steintanz

Die Steinkreise von Boitin sind ein astronomisches Wunderwerk

Abseits der nächsten Straße folge ich winzigen Holzschildern, die mich immer tiefer in den Wald führen. Ein sonniger Herbsttag geht zuende und erste dunkle Wolken ziehen auf. Dann eine offene Waldhütte und zwei Jungs auf Simson-Mopeds davor, die ich beim Rauchen treffe. Ich bin da: Rechts im Wald sehe ich die aufrecht stehenden Steine. Ein sogenannter Brautstein mit sagenbezogener Jahreszeitangabe ist der Steintanz von Boitin in Mecklenburg. Der Brautstein wurde aufgerichtet, doch einst soll er gelegen haben, ist also ein Breiter oder Heißer Stein in horizontaler Lage. Die ganze Kultstätte besteht heute noch aus vier Steinkreisen, die aufeinander bezogen sind. Die in dem alten Buchenwald stehenden mindestens 3000 Jahre Steinsetzungen sehen aus wie ein steinernes Uhrwerk. 

(Quelle: Kurt Derungs, Matriachartsforscher)

Werden die Mittelpunkte der 3 Hauptkreise des Boitiner Steintanzes verbunden, zeigen sich zwei rechtwinklige Dreiecke. Diese beiden Dreiecke bilden dann gemeinsam ein gleichschenkliges Dreieck, wobei ein Schenkel genau nach Norden weist und eine Linie nach Südosten.

Strafe für wildes Feiern

Die Sage vom Steinkreise von Boitin: 

Einst fand eine Hochzeitsgesellschaft an diesem Ort statt. Zu später Stunde begann man im Übermut mit Broten und Würsten zu kegeln und auf Käsen zu tanzen oder, gemäß verschiedener Varianten der Erzählmotive, verkehrten im angeheiterten Zustand Frauen und Männer offen miteinander. Darauf erschien ein kleines Männchen und verwandelte die ganze Sippe in Steine, die nun die großen Kreise bilden. Ein Schäfer, der mit seiner Herde Zaungast des Festes und der Versteinerung war, erhielt ebenfalls deren Schicksal und wurde in den kleinen Steinkreis verwandelt. Wer jedoch in der Johannisnacht den rotseidenen Faden, der aus dem dreizehnten Loch des Brautsteines heraushängt, zu ziehen vermag, dem öffnet sich der Stein und ihm fällt der reiche Brautschatz zu, der darin ruht. Außerdem erlöst er dadurch die Versteinerten, die wieder zu Menschen werden.

Das Leben liegt im Schoß der Göttin

Boitiner Steintanz zeigt kosmische Wiedergeburt 

Das Ziehen eines rotseidenen Fadens in der Sage vom Steintanz erinnert an den Ariadnefaden und andere Labyrinthspiele, bei dem das Fadenmotiv vorkommt. Auch wird das Fädenziehen im berühmten Rosengarten des Zwergenkönigs Laurin erwähnt. Mit dem Faden wird ein sakraler Bezirk für die jahreszeitlichen Rituale der Sonnen- und Mondzyklen abgesteckt. 

Im Fall des Steintanzes ist die liegende Braut, die rote Frauengöttin des Vollmondes, deren rotseidener Faden aus dem zwölften oder dreizehnten Loch bzw. heiligen Schoß der steinernen Ahnfrau herauszuziehen ist. Der Faden selbst verweist auf den Lebens- und Schicksalsfaden einer Grossen Göttin, die ihn als Symbol und Attribut besitzt. Er allein bezeugt schon die Präsenz der Frauengöttin, denn er ist zwar ein Teil von ihr und doch ist sie als Ganzes anwesend. Die Braut ist damit nicht nur die schöne Frauengöttin des Sommers, sondern auch eine große Weberin des Todes und des Lebens, eine Schicksalsgöttin. 

Noch einmal Knut Derungs: Durch die Heilige Hochzeit, die Segnung von Mensch und Natur, bewirken die Mondin-Braut und ihr Sonnen-Bräutigam eine glückliche Regeneration und Wiederkehr der kosmischen Zyklen und schließlich auch die glückliche Wiedergeburt der versteinerten, schlafenden Menschen.

In der nordischen Mythologoie erscheinen drei Schicksalsfrauen mit dem Lebensfaden, den die eine zieht, die andere abmisst und die Schwarze abschneidet. Diese drei heiligen Frauen verkörpern den kosmischen und irdenen Lebensrhythmus als Schöpferin, Erhalterin und Wandlerin des Lebenszyklus.

Der rote Faden erinnert auch an den männlichen Partner der Braut. Im Fall der Ariadne ist es der griechische Held Theseus, der die Prinzessin vor dem Minotaurus aus dem Labyrint von Knossos befreit. 

Für mich steht der rote Faden auch für die Nabelschnur, über die wir mit der Mutter verbunden waren. Heute gehe ich den roten Weg - Camino rojo, wie es auf spanisch heißt - der Weg des Herzens und der Liebe.

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