Der universelle Soldat

In Gedenken an meinen Großvater Friedrich Hemme (1910-1944)

And he knows, he shouldn't kill

And he knows he always will

Killing you for me my friend, and me for you

  • Donovan

In meiner Taufkirche hat es eine Holztafel gegeben mit den Namen der gefallenen Soldaten vergangener Kriege. Gefallene? Was für ein beschönigendes Wort für die Qualen und Schmerzen des Todes im Krieg. Die Liste der Namen ging bis zu den Napoleonischen Kriegen zurück. Napoleon ist 1812 mit seinem Heer bis nach Moskau gezogen. Seine Grande Armee bestand da zum großen Teil aus Soldaten, die er in den bereits besetzten Ländern rekrutieren ließ, viele Bauernsöhne aus Westfalen und der Lüneburger Heide sind dabei.

Zu den Anekdoten meiner Heimatgemeinde gehört, dass sich ein Schneidergeselle in der damals schon hohlen Linde auf einem Hof versteckt hält, als die Werber der Franzosen ins Dorf reiten. Er entkommt so dem nun folgenden Feldzug. Einer meiner Ahnen dagegen nicht, wie sein Name auf der Gedenktafel in der Kirche zeigte (sie ist vor Jahren abgehängt worden). Den Weg habe ich per Internet-Karte nachverfolgt. Rund 2200 Kilometer sind es aus dem Raum Hannover bis nach Moskau. Als der Winter naht, ließ Napoleon die besetzte Stadt räumen und drängt zum Rückmarsch. Am Fluss Beresina (heute Weißrussland) wird seine ohnehin geschwächte und schon dezimierte Armee fast aufgerieben. Aus den Trümmern einer Notbrücke und ins Wasser gestürzter Fuhrwerke bildet sich im Fluss eine Insel. Die angeschwemmten Leichen und Schlamm lassen flussabwärts drei kleine Hügel entstehen, heißt es in den Chroniken.

Am 22. und 23. Juni 1944 wiederholte sich die Tragödie an dem gleichen Fluss. Die Schlacht an der Beresina gilt als „größte Niederlage der deutschen Geschichte“ mit mehr als 130.000 toten deutschen Soldaten, bis Ende Juli sollen es 260.000 sein. Auf russischer Seite sind 400.000 Tote zu beklagen. Diesmal war mein Opa Friedrich dabei. Er überlebte das Massaker, wurde aber gefangen genommen. Nach der Niederlage ließ Russlands Diktator Stalin am 17. Juli 1944 gut 55.000 Gefangene deutsche Soldaten durch Moskau treiben: In zwei Kolonnen wurden sie durch die Stadt geführt: beschimpft, bespuckt und mit vollen Hosen. Viele Soldaten leiden an Durchfall, weil sie nach Tagen mit mangelhafter Verpflegung kurz vor dem Zug erstmals versorgt wurden. Nach ihrem Durchmarsch kamen Reinigungsmaschinen zum Einsatz. Während die Generäle anschließend in einem Moskauer Gefängnis interniert wurden, sind die übrigen Gefangenen auf verschiedene Lager verteilt worden. Viele starben bereits beim Transport. Opa Friedrich wurde nach Stalingrad gebracht. Dort sollte er mit anderen deutschen Kriegsgefangenen die im Winter 1942/43 zerstörte Stadt an der unteren Wolga mit aufräumen helfen. Hier erlag er seinen Verletzungen, mit 34 Jahren. Wo sein Grab genau ist, ist nicht bekannt. Sein Name ist auf dem Soldatenfriedhof Rossoschka, 37 Kilometer nordwestlich vom heutigen Wolgograd - am Rande Europas - auf einer Steinstele verzeichnet.

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Skorpion und Schütze bringen das Jahr zu Fall 

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Samhain, November und der Tod